ROM ODER BÖTZINGEN 

HAUPTSACHE KLIMASCHUTZ

 Bild: Rom-Pantheon

»Quo vadis, 

Opus caementicium?«

Wir schreiben das Jahr 2023 n. Chr. oder in der neuen Zeitrechnung der Tourismusbranche, das Jahr 1 nach Corona. Die prognostizierenden Zahlen weisen darauf hin, dass sich die Branche bald wieder erholt haben wird. Die Reiselust der Deutschen ist ungebrochen.

Städtereisen haben dabei einen hohen Stellenwert und Rom belegt hier einen der oberen Plätze in der Bucket-List.

Rom, la città eterna, die ewige Stadt. Ist das nur ein geschickter Marketing Gag oder steckt da mehr dahinter?

Schaut man sich Rom genauer an, stellt man fest, dass hier eine geballte Ansammlung historischer Bauten zu finden sind. Bauten die zum Teil 2.000 Jahre und älter sind. Das gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Und, was noch viel verblüffender ist, etliche Bauwerke befinden sich in einem hervorragenden baulichen Zustand.

Warum ist das so?

Die Kathedrale von Santiago de Compostela, das Freiburger Münster, ewige Baustellen, selten in ihrer ganzen Pracht ohne störendes Baugerüst zu bewundern. Und das Pantheon, eines der bekanntesten Bauwerke Roms?

Erbaut zwischen 114 und 128 n. Chr., trotzt es seit fast 2.000 Jahren allen Naturgewalten. Eines der Geheimnisse römischer Baukunst ist die Auswahl des Baumaterials.

»Opus caementicium«, besser bekannt als Römischer Beton, gilt als besonders widerstandsfähig und langlebig.

Wer hat’s erfunden?

Die Schweizer? Mitnichten.

Aber auf der Suche nach der magischen Rezeptur haben sie Ihren Beitrag dazu geleistet, die römische Erfolgsformel zu entschlüsseln. In einer internationalen Forschergruppe des MIT (Massachusetts Institute of Technology) im amerikanischen Cambridge zusammen mit Kollegen der Harvard University und Laboren in Italien haben sie dem Wunderbeton einige Geheimnisse entlocken können. 

Entscheidend am römischen Beton, dem »Opus caementicium«, war die Kombination von gebranntem Kalk mit spezieller Vulkanasche und Zuschlagstoffen vulkanischen Ursprungs, den Puzzolanen. Das Gestein ist nach der Stadt Pozzuoli bei Neapel benannt, wo es in der Antike schon abgebaut wurde.

In dem darauffolgenden Prozess entstand, hervorgerufen durch eine exotherme Reaktion, große Wärme, bei der sich weiße Kalkklumpen im Beton bildeten. Durch die im Laufe der Jahre entstandenen Risse konnte Wasser in das Material eindringen, welches das vorhandene Kalzium löste. Daraufhin reagierte das Kalzium mit anderen Bestandteilen: entweder mit Wasser und Kohlenstoffdioxid zu Kalziumkarbonat – oder es reagierte mit der Vulkanasche im Beton. Beide Prozesse führen dazu, dass die Lücken wieder aufgefüllt werden.

Somit war und ist der Beton in der Lage, sich immer wieder selbst zu „heilen“.

Der Vergleich mit einem römisch inspirierten, aber modern produzierten Beton bestätigte die Ergebnisse der Forschergruppe, wie sie im Fachblatt „Science Advances“ beschrieben werden. Durch den Prozess repariert der Beton also durch die Witterung entstandene Hohlräume selbst, was die Langlebigkeit und Stabilität antiker römischer Bauwerke erklären könnte, welche die Jahrtausende in teils beachtlicher Qualität überdauerten.

Was hat das alles mit Bötzingen zu tun?

Die ganze Welt ist vom Klimawandel bedroht! Die ganze? Ein kleines Dorf am Kaiserstuhl leistet engagiert und innovativ aktiven Widerstand.

Weder Zaubertrank noch Hinkelstein sind für diesen Erfolg zuständig, sondern ein Vulkangestein, der Phonolith, so wie er hier bei uns in Bötzingen abgebaut wird.

Phonolith ist ein natürliches Puzzolan und kommt mit seinen physikalischen Eigenschaften der magischen Zauberformel des Römischen Betons verblüffend nah.

Globale CO2-Emissionen ließen sich mit »selbstheilendem« Beton reduzieren

Doch welchen Nutzen könnte man aus dieser Erfahrung heraus ziehen? Aktuell gehen rund 8 % der CO₂ Emissionen zu Lasten der Herstellung von Beton.

Nach Ansicht von Fachleuten könnte diese Emissionen nachhaltig und klimaschonend reduziert werden, wenn man die Produktion langfristig auf »selbstheilendem« Beton umstellen würde.

Und wer weiß, wenn wir es schaffen, den Klimawandel aufzuhalten, bewundern Touristen des 4. Jahrtausend vielleicht Bauwerke welche mit Bötzinger Beton erbaut wurden und Wissenschaftler hinterfragen dann die Erfolgsformel des Phonoliths.